Chronik der Radolfzeller Stadtgeschichte

Von einer kleinen bescheidenen Fischer- und Weinbauernsiedlung entwickelte sich Radolfzell schon kurz nach seiner Gründung zu einem in ganz Süddeutschland bekannten Wallfahrtsort: Bischof Radolf hatte die Reliquien der Heiligen Theopont, Senesius und Zeno an den Bodensee geholt – und damit den Grundstein für noch heute gepflegte Traditionen gelegt. 

Mit der Verleihung des Stadtrechtes im Jahr 1267 nahm der Aufschwung des kleinen Marktfleckens Radolfzell seinen Anfang. Durch die Anbindung an den Schienenverkehr entwickelte sich die Stadt schließlich zum wichtigsten Industriezentrum am ganzen Untersee.

 

9. Jahrhundert

Gründung der Cella Ratoldi

"Es war eine überaus schöne Stelle, vom Kloster Reichenau 2 Meilen entfernt, jenseits des Sees gegen Nordwesten, mit Fischerhütten besetzt, sonst aber zu keinem Anbau geeignet. Diesen Platz begann Ratoldus herrichten zu lassen, mit Häusern sowie mit einer Kirche zur Ehre Gottes zu bebauen und diese Zellenanlagen mit seinem Namen zu benennen, wie es bis heute der Fall ist. Nachdem er sie noch mit vielerlei Schmuck geziert und alles nach seinem Herzenswunsch vollbracht hatte, kehrte er wieder an seinen Bischofssitz Verona zurück."

Mit diesen Worten schildert ein unbekannter Reichenauer Chronist die Gründung der "Cella Ratoldi" am Nordwestende des Untersees auf dem Grund und Boden des Klosters Reichenau. Dies geschah um das Jahr 826. Nachdem er, alt geworden im Dienste des Reiches und der Kirche, 840 auf sein Bistum Verona verzichtet hatte, kehrte Radolf endgültig an die gesegnete Gestade des Bodensees zurück, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. 7 Jahre danach ist er in der von ihm gegründeten und nach ihm benannten Zelle gestorben.

Verehrung der Radolfzeller Hausherren

Bereits im Jahre 830 hatte Bischof Radolf, zusammen mit den für die Reichenau bestimmten Markusreliquien, Gebeine der kleinasiatischen Blutzeugen Theopontus und Senesius aus Oberitalien an den Bodensee gebracht und in seinem Gotteshaus in Radolfzell bestattet. Später kam dann noch ein Teil des Hauptes eines dritten Heiligen, des Veroneser Bischofs Zeno, in Radolfs Zellengründung an den Bodensee.

12. Jahrhundert

Markt- und Stadtrechte für Radolfzell

Im Jahr 1100 ließ der Reichenauer Abt Ulrich von Dapfen mit Zustimmung Heinrichs IV. neben dem Bauern- und Fischerdorf, dem alten reichenauischen Kelhof und neben der Kirche Radolfs, die in der Obhut einer geistlichen Genossenschaft von Chorherren stand und seit langem Ziel von Wallfahrern zu den Radolfzeller Hausherren war, einen von der Kelhofgemeinde getrennten Handelsplatz mit eigenem Recht anlegen. Die Gründung des Reichenauer Marktes Radolfzell auf einem bisher unbebauten Gelände neben einer zunächst noch selbständig weiterbestehenden Hofgemeinde war der erste in Südwestdeutschland nachweisbare Versuch der Schaffung eines eigenen städtischen Grund- und Bodenrechtes überhaupt, der dann in Freiburg/Breisgau 20 Jahre später weiter ausgebildet wurde.

Das Radolfzeller Marktrecht von 1100 war der erste Anstoß und die Voraussetzung für die Entstehung der Stadt Radolfzell, aber noch nicht die Stadtgründung selbst. Erst die Urkunde des Reichenauer Abtes Albrecht von Ramstein aus dem Jahr 1267 über die Privilegien der Radolfzeller Bürgerschaft bildete den Abschluß des Stadtwerdungsprozesses. Von nun an galten die Rechte und Freiheiten der Bewohner des Marktbezirkes auch für den bisher zum Reichenauer Fronhof gehörenden, inzwischen aber in den befestigten Stadtbereich einbezogenen Teil der Siedlung. Marktbewohner und Angehörige der Reichenauer Hofgemeinde waren nun zu einer Bürgergemeinde verschmolzen. Alles, was Mauer und Graben umschlossen, genoß fortan städtische Freiheiten.

An die Spitze der bürgerlichen Verwaltung trat ein aus der Bürgerschaft genommener Stadtammann. Ein Ratsgremium wirkte als satzungsgebende Vertretung der Bürger. Die wesentlichen Merkmale der Stadt, Marktrecht, Befestigung und Selbstverwaltung, waren nun gegeben. Das Marktrecht war Stadtrecht geworden.

Die beiden durch die Urkunden von 1100 und von 1267 markierten Ereignisse waren grundlegende Voraussetzungen für die städtische Entwicklung Radolfzells mit einer Langzeitwirkung bis in unsere Tage. Die "Große Kreisstadt Radolfzell" ist nicht denkbar ohne die großzügigen Privilegierungen durch die Reichenauer Äbte und nach 1300 durch die österreichischen Herzöge, die den Reichenauer Klostervorstehern in ihrer Eigenschaft als Radolfzeller Stadtherren nachfolgten. Bald war es der Stadt auch gelungen, ein eigenes Territorium mit mehreren Dörfern und der Burg Hohen-Friedingen zu erwerben.

15. Jahrhundert

Papst Johannes XXIII. als Gefangener in Radolfzell

Am 2. März 1415 hatte der beim Konstanzer Konzil weilende Papst Johannes XXIII., der erste dieses Namens und dieser Zählung, auf sein Amt verzichtet, danach diesen Verzicht wieder zurückgenommen, war aus Konstanz geflohen, in Freiburg gefaßt und am 17. Mai 1415 nach Radolfzell geführt worden, wo er bis zum 3. Juni 1415 zunächst in einem Wirtshaus, dann in einem festen Turm, vielleicht in der damals noch der Reichenau gehörenden Burg zu Radolfzell, untergebracht war. Hier willigte er in seine am 29. Mai 1415 erfolgte Absetzung als Papst ein.

16. Jahrhundert

Radolfzeller "Halsgerichtsordnung"

Von besonderer Bedeutung für den rechtlichen Status Radolfzells war die der Stadt von König Maximilian I. anno 1506 verliehene eigene "Halsgerichtsordnung". In diesem Radolfzeller Strafgesetzbuch kann man u.a. Folgendes lesen: "Wir, Maximilian von Gottes Gnaden, römischer König, haben die hernachgeschriebenen Ordnungen und Gesetze hierfür zu halten fürgenommen, ordnen und setzen auch dieselben von fürstlicher Macht, wissentlich in kraft dieses Briefes:

Artikel 6: Ein jeder Mörder soll mit dem Rad gerichtet werden. Artikel 7: Ein Verräter soll geschleift und gevierteilt werden. Artikel 8: Ein Räuber soll mit dem Schwert hingerichtet werden. Artikel 9: Kirchenschänder, Brenner, Ketzer und Münzfälscher sollen mit Brand gestraft werden. Artikel 10: Wenn ein Mann zwei Weiber nimmt oder ein Weib zwei Männer, dieselben, Mann oder Frau, soll man ertränken. Artikel 14: Welche Frau ein Kind vertut, die soll lebendig in das Erdreich begraben und ein Pfahl durch sie geschlagen werden. Artikel 15: Welche Person einen falschen Eid schwört, derselben sind die Zunge und die Schwurfinger abzuschneiden. Artikel 16: Wer einen gelobten Frieden bricht ohne merkliche Ursache, denselben soll man mit dem Schwert richten ..."

Man war also damals in der Auswahl der Strafen nicht gerade zimperlich!

Radolfzell im Bauernkrieg

Im April 1525 vereinigten sich die Hegauer Bauern mit denen aus dem Schwarzwald, aus dem Klettgau und der Baar, besetzten die Städte Engen und Aach und begannen mit der Erschließung Radolfzells. Von April bis Juni 1525 beherrschten die auf rund 10 000 Mann angewachsenen aufständischen Bauern die Szenen, wenn auch die Besatzungen der Städte Stockach und Radolfzell ab und zu ausbrachen und einige Dörfer anzündeten.

Die Belagerung der Stadt Radolfzell durch die Bauern erreichte Ende Mai 1525 ihren Höhepunkt. Der Mut der Verteidiger und die Hilfe der Truppen des Schwäbischen Bundes retteten jedoch die Stadt. In zwei Gefechten bei Steißlingen und bei Hilzingen, wo der Krieg im Hegau 9 Monate zuvor begonnen hatte, wurden die Bauern geschlagen und zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen. Die Gemeinden Böhringen und Überlingen am Ried, die sich den aufrührerischen Bauern angeschlossen und sich an der Belagerung von Radolfzell beteiligt hatten, mußten den Radolfzellern als Entschädigung einige Wälder überlassen.

Besuch Kaiser Ferdinands I. in Radolfzell

Immer wieder besuchten Herrscher aus dem Hause Habsburg ihre kleine Stadt am Bodensee, so im Jahr 1563 Kaiser Ferdinand I.

"Man mag über die alten Habsburger sagen was man will", schrieb im letzten Jahrhundert der Volksschriftsteller und Pfarrer Heinrich Hansjakob in einer Betrachtung über Radolfzell, "eines ist sicher, dass sie mild, gerecht und freiheitlich regierten. Die kleinen und die großen Städte der österreichischen Vorlande waren unter den Herzögen von Österreich geradezu selbständige Gemeinden. "Noch erinnert in Radolfzell das "Österreichische Schlößchen" an die jahrhundertelange Zugehörigkeit der Stadt zu Österreich und erweist noch heute dem österreichischen Nachbarland seine Reverenz.

17. Jahrhundert

Radolfzell als Tagungsort und Sitz der Vereinigung des Hegauadels

Nicht nur wegen des Besitzes der gesamten Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit nahm Radolfzell eine Sonderstellung gegenüber anderen, weniger privilegierten Landstädten ein; Radolfzell war immer auch ein bevorzugter Tagungsort, gleichviel ob es sich um Gerichtstage anderer Gerichte, um Schiedsverhandlungen wegen Streitigkeiten zwischen Adeligen, Städten, hohen geistlichen Würdenträgern und Klöstern, um wichtige Vertragsabschlüsse oder um militärische Beratungen handelte.

Einige Tage vor Weihnachten 1553 treffen wir den Grafen Froben Christoph von Zimmern auf einen Tag zu Radolfzell, wo es galt, einen Streit zwischen Friedrich von Fürstenberg und den Erben des Hans von Stad zu schlichten. Eine Tagsatzung, die wohl ihresgleichen sucht; denn was man neben den Verhandlungen trieb, war eitel Saufen. Einige der Beteiligten erkrankten hernach an den Folgen schwer, ja auf den Tod.

Seit dem 15. Jahrhundert hielten die im Hegau ansässigen Ritter ihre Zusammenkünfte in Radolfzell ab. Im Jahr 1609 schenkte Junker Hans von Schellenberg der Adelsgesellschaft zum St. Jörgenschild sein Haus in Radolfzell "zu bequemer Traktierung ihrer Handlungen". Dieses danach mehrfach umgebaute und erweiterte Ritterschaftsgebäude, das heutige Amtsgericht, diente der Reichsritterschaft im Hegau bis Ende 1805 als Versammlungsort und Verwaltungssitz. Das Wappen dieses Rittervereins mit Falken, Fisch, Schwert und Zepter schmückt noch immer das Portal dieses stattlichen Gebäudes neben dem Rathaus.

Kriege, Krankheiten und das Radolfzeller Spital

Leben und Gesundheit der Menschen in unseren Städten waren in frühen Jahrhunderten stärker und häufiger bedroht als heute: durch ungünstige Witterungseinflüsse, die Mißernten, Teuerungen und Hungersnöte zur Folge hatten, durch Kriege mit Plünderungen und Brandschatzungen, durch Pestepidemien und andere unheilbare Krankheiten. 

Wie andere Städte wurde auch Radolfzell im Dreißigjährigen Krieg besonders schlimm heimgesucht. Einer durch Truppen eingeschleppten Seuche und der Pest fiel etwa die Hälfte der Radolfzeller Einwohner zum Opfer. Nach dem Krieg lebten nur noch 400 Menschen in der Stadt.

Als Einrichtung bürgerschaftlicher Solidarität war in Radolfzell bereits im Jahr 1386 ein Heilig-Geist-Spital gegründet worden, das sich vor allem in Notzeiten als segensreiches Instrument städtischer Wohlfahrtspflege bewähren musste. 1541 war dieser Spitalkomplex nach einem katastrophalen Brand mit einer neuen Kapelle unter Einbeziehung alter Gebäudeteile errichtet worden.

Die Spitäler dienten der Armenfürsorge, der Verteilung von Almosen, der Unterbringung und Verköstigung von Wanderern, Reisenden und Pilgern, der medizinischen Betreuung bedürftiger Kranker; sie waren Altersheime, Kranken- und Waisenhäuser und manches andere mehr, unterschieden sich also in ihrer umfassenden Fürsorge erheblich von den modernen Krankenhäusern und Altersheimen.

19. Jahrhundert

Landwirtschaft, Handwerk und Handel in Radolfzell

Produktion und Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse, insbesondere von Getreide und Wein, bildeten jahrhundertelang die Grundlage der Radolfzeller Wirtschaftskraft. Dabei erwies sich die verkehrsgünstige Lage der Stadt am Bodensee als vorteilhaft. Radolfzeller Kaufleute transportierten Getreide und Wein mit Segelschiffen in die Schweiz und nach Österreich oder mit Fuhrwerken in den Schwarzwald.

Die entscheidenden Faktoren für die wirtschaftliche Prosperität der Stadt Radolfzell blieben noch fast während des ganzen 19. Jahrhunderts Landwirtschaft und Rebbau sowie der Handel mit Wein und Getreide und – in zunehmendem Maße – mit Schlacht- und Zuchtvieh.

Der Verfasser der ersten Radolfzeller Stadtgeschichte, Kasimir Walchner, nannte 1826 den Radolfzeller Wein "das vorzüglichste Erzeugnis der Stadt". Im Jahr 1870 wurden auf Gemeindegebiet noch über 28 Hektar Weinberge festgestellt. Das städtische Rebgut Mettnau war allein mit 7 Morgen Reben bepflanzt. Heute sieht man davon nichts mehr, und auch die ehemals große wirtschaftliche Bedeutung der Märkte ist stark zurückgegangen.

Anschluss Radolfzells an das Eisenbahnnetz

Seit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Waldshut, Schaffhausen, Singen, Radolfzell, Konstanz am 13. Juni 1863 bekam die damals erst rund 1500 Einwohner zählende kleine Stadt am Untersee eine schnelle Verkehrsverbindung mit der großen, weiten Welt.

Natürlich nahm an den Feiern zur Bahneinweihung auch Großherzog Friedrich I. von Baden teil. In Radolfzell, wo der Zug am 13. Juni 1863 um 1.49 Uhr nachmittags ankam, machte er 21 Minuten lang Station. Einige Tage später war darüber in der Zeitung folgendes zu lesen: "Mit endlosem Jubel wurde der geliebte Fürst von der harrenden Bürgerschaft begrüßt. Stadtmusik, Feuerwehr, kurz, alles, was Radolfzell bieten konnte, war auf den Beinen, dem geliebten Fürsten die aufrichtigste Huldigung entgegenzubringen. Die Freizüge, die nach der Ankunft Seiner Königlichen Hoheit in Konstanz von da aus nach Singen und zurück stattfanden, waren stark frequentiert".

Gewerbe und Industrie in Radolfzell

In den 5 Jahrzehnten von der Mitte der 1870er Jahre bis zur Mitte der1920er Jahre vollzog sich der Übergang von einem landwirtschaftlich orientierten Marktflecken zu einem durch die Industrie sowie zahlreiche gewerbliche Mittel- und Kleinbetriebe bestimmten Zentralort. Nachdem durch dem Anschluss an das Eisenbahnnetz und durch verbesserte Straßenverhältnisse gute Voraussetzungen geschaffen waren, konnten sich Industriebetriebe in Radolfzell niederlassen und erfolgreich entwickeln.

Nur der Traum, in Radolfzell einen Güterumschlagshafen zu erhalten, wurde nie Wirklichkeit. Schiene und Straße liefen dem einst für den Wassertransport so bedeutsamen Wasserweg den Rang ab.

Der Dichter Joseph Viktor von Scheffel in Radolfzell

Der Bestsellerautor Joseph Viktor von Scheffel, durch seinen "Trompeter von Säckingen", seine "Gaudeamus-Lieder" und den "Ekkehard" berühmt geworden, baute 1872 bis 1874 in Radolfzell die Villa Seehalde, kaufte 1876 das Mettnaugut und ließ einige Jahre danach das Wohnhaus des früheren Rebgutpächters durch einen schönen Eckturm ergänzen. In seiner Dichterklause, bis heute als "Scheffelschlösschen" bezeichnet, hatte der "Meister Josephus vom dürren Ast" wie sich Scheffel in späteren Jahren gelegentlich selbst nannte, "in einen stillen und sicheren Ankergrund für die letzte Phase seines Erdenwallens gefunden".

In seinem Mettnauschlösschen wohnte der Dichter vorwiegend während der Sommermonate, widmete sich dem Rebbau, der Jagd und der Fischerei und verbrachte die Zeit mit Ausflügen und gastfreundlicher Geselligkeit.

ab dem 19. Jahrhundert

Radolfzell 1933 - 1945: Machtergreifung, Garnisonsstadt und Kapitulation

Das traditionell katholisch geprägte Radolfzell war bis zum Ende der Weimarer Republik eine der Hochburgen des konservativ-katholischen, politischen Lagers am Bodensee. Trotzdem stieß die Gleichschaltung in Politik und Gesellschaft nach der Machtergreifung auch in Radolfzell auf nur wenig Gegenwehr und war wie überall im Deutschen Reich umfassend.

Der letzte demokratisch gewählte Bürgermeister, Otto Blesch wurde 1934 durch Eugen Speer ersetzt. Nachdem die Partei den untragbar gewordenen Bürgermeister 1935 entfernt hatte, sorgte sein Nachfolger, Josef Jöhle, für einen Aufschwung bei Fremdenverkehr und Wohnungsbau und verwirklichte Speers größtes Projekt, den Bau der SS-Kaserne.

Mit der SS-Kaserne war Radolfzell zwischen 1939 und 1945 in das militärische Garnisonssystem des NS-Staates eingebunden. Zunächst war hier das III. SS-VT „Germania“-Bataillon stationiert, gefolgt von zwei SS-Kompanien und einem SS-Ersatz-Bataillon. Ab 1941 war die Waffen-SS-Unterführerschule Radolfzell untergebracht. Für deren Belange befand sich ein Außenkommando des KZ Dachau auf dem Kasernenareal. Im Gewann „Altbohl“ wurde im Oktober 1942 unter Einsatz von KZ-Häftlingen aus Dachau ein Großkaliber- und Pistolen-Schießstand fertiggestellt.

Nach intensiven Verhandlungen wurde die Stadt am 25. April 1945  kampflos den Truppen der I. Französischen Armee übergeben. Der Kapitulation und anschließenden Besetzung gingen dramatische Stunden voraus. Beim feindlichen Artilleriebeschuss wurden mehrere Wohnhäuser getroffen und die Firma Allweiler geriet in Brand.

Fremdenverkehrseinrichtungen und Kuranlagen auf der Mettnau

In unmittelbarer Nachbarschaft des Scheffelschlösschens, seit 1926 zusammen mit dem Mettnaugut wieder im Besitz der Stadt Radolfzell, entstand 1928 ein großes Strandbad und ein Strandcafe, das 1966 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Begünstigt durch weitere Bau- und Verschönerungsmaßnahmen, erlebte der Radolfzeller Fremdenverkehr in den dreißiger Jahren einen ersten beachtlichen Aufschwung.

Das Bestreben der Stadt, ihre Fremdenverkehrs- und Erholungseinrichtungen stets zu verbessern, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere nach der Währungsreform von 1948, verstärkt fortgesetzt. Dem Antrag der Stadt um Aufnahme als Mitglied im Deutschen Bäderverband wurde 1949 entsprochen.

Konsequenter und wirtschaftlich notwendiger Abschluss dieser Entwicklung war die Schaffung besonderer, möglichst ganzjähriger Erholungseinrichtungen. Was lag da näher, als die Vorzüge der vom Weltenschöpfer üppig ausgestatteten Halbinsel noch besser zu nutzen und sie dem heilungs- und erholungssuchenden Menschen dienstbar zu machen? So entstand auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Hermann Albrecht und des Freiburger Universitätsprofessors Dr. Ludwig Weisbecker die "Mettnau-Kur" mit ihrer Devise "Heilung durch Bewegung". Am 7. Juni 1958 konnte im jungen Sportkurort Radolfzell die "Kurstation Mettnau" feierlich eröffnet werden.

Städtepartnerschaften

Freundschaftlich verbunden ist Radolfzell mit der schweizerischen Gemeinde Amriswil, wo sich 1945 eine "Notgemeinschaft" zur Hilfe für die hungernde Radolfzeller Bevölkerung gebildet hat und mit der südfranzösischen Stadt Istres, mit der seit 1974 eine offiziell besiegelte und seither intensiv gepflegte Partnerschaft besteht.

Erhebung Radolfzells zur Großen Kreisstadt

Am 24. Mai 1975 wurde Radolfzell feierlich zur "Großen Kreisstadt" erklärt.

"Große Kreisstadt Radolfzell", das heißt auf eine Kurzformel gebracht: mehr Einwohner, mehr Aufgaben und Rechte der kommunalen Organe sowie als unmittelbare Folge der Eingliederung von 6 Dörfern in die Stadt Radolfzell ein erheblich vergrößertes Gemeindegebiet.

Ende 1973 wohnten auf dem nur 807 Hektar großen Gemeindegebiet 16702 Menschen. Bis zum 1. Januar 1975 hatte sich durch die Eingliederung der Gemeinden Liggeringen, Markelfingen, Möggingen, Stahringen, Böhringen und Güttingen die Fläche des Gemeindegebietes mehr als versiebenfacht, die Zahl der Einwohner war auf ca. 25000 angestiegen.

Wie im Leben der Menschen, so gibt es auch in der Geschichte menschlicher Gemeinschaften herausragende Ereignisse. Die Erklärung des städtischen Gemeinwesens Radolfzell zur "Großen Kreisstadt" war zweifellos ein solch herausragendes und deshalb feiernswertes Ereignis.

Erfolgsbilanz seit 1975

In den 20 Jahren seit der Erhebung zur "Großen Kreisstadt" hat Radolfzell eine weitere beachtliche Aufwärtsentwicklung erlebt.

Die "Ära Günter Neurohr", der erstmals am 12. September 1976 zum Radolfzeller Oberbürgermeister gewählt wurde, ist geprägt durch den Bau neuer Straßen, Kanäle und Kläranlagen, durch die Errichtung neuer Schulen, Kindergärten, Altersheime und großzügiger Sportstätten, den Ausbau der Mettnau-Kur mit Kurmittelhaus, Gymnastikhalle, Bettenhäusern und Herz-Kreislauf-Klinik, die Neugestaltung und Vergrößerung des Mettnau-Parks, die Erweiterung des Naturschutzgebietes Mettnau, die Sanierung der Altstadt, die Eröffnung eines Stadtlinienverkehrs und die Umwandlung des ehemaligen Milchwerks in ein großes, attraktives Tagungs- und Kulturzentrum. In der Kernstadt entstanden ausgedehnte Fußgängerzonen und die Höllturm-Passage sowie eine neue Bodensee-Uferpromenade mit Hafenmole und Konzertsegel. Die Stadtteile erhielten Fest- und Mehrzweckhallen. Die Radolfzeller Kultur-Szene mit einem blühenden Vereinsleben, mit Stadtbibliothek, eigener Volkshochschule und Jugendmusikschule, mit Stadtkapelle und Jugendblasorchester, beide international erfolgreich und hoch dekoriert, bekam durch Veranstaltungen wie die jährliche Verleihung des Bundeskulturpreises an Behinderte und Kunstsymposien, durch die Einrichtung des Kulturzentrums "Villa Bosch" und des Stadtmuseums neue unübersehbare Akzente.

Das mittlerweile über 29000 Einwohner zählende "Tor zum Bodensee", nach wie vor auch Wirtschaftszentrum mit leistungsfähiger, vielseitiger Industrie und gleichwohl mit gutem Recht als "Hauptstadt des Umweltschutzes" apostrophiert, ist ein schönes, liebens- und lebenswertes Gemeinwesen, in dem alle, die dazugehören, aufgerufen sind, auch künftig tatkräftig "zum Wohle der Bürgergemeinde der Zelle des seligen Bischof Radolf" zu wirken, wie es eine alte Radolfzeller Siegelumschrift formuliert:

 

"PRO SALUTE UNIVERSITATIS CIVIUM CELLAE BEATI RATOLFI EPISCOPI"