Für ihre militärische Ausbildung brauchte die Waffen SS-Unterführerschule Radolfzell (USR) einen Großkaliber-Schießstand, den es bis 1941 noch nicht gab. Davor fanden die Schießübungen auf dem Kasernenareal und dem angrenzenden Übungsgelände „Schafweide“ statt. 1938 wurde im Radolfzeller Stadtwald mit Erdarbeiten und baulichen Vorleistungen für einen Schießstand begonnen. Mit Kriegsbeginn 1939 und nach Abzug der SS-Verfügungstruppe „Germania“ musste der Weiterbau aber unterbrochen werden.
1940 verkaufte die Stadt Radolfzell das Areal an das Deutsche Reich – SS-Hauptamt Haushalt und Bauen. 1941/1942 wurde die große Schießanlage im Altbohl mit drei Langbahnen, drei Kurzbahnen, einem gestaffelten Kugelfang, einem Schießscheibenbunker und einem massiv gemauerten Haus gebaut. Für die Fertigstellung verfügte das zuständige SS-Hauptamt in Berlin den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen. Beim Bau des SS-Schießstandes im Gewann Altbohl kamen bis zu 120 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau zum Einsatz. Das in der SS-Kaserne untergebrachte Häftlingskommando hatte schwere Arbeit ohne adäquate Arbeitsgeräte zu verrichten, die Arbeitsbedingungen waren von der schikanösen Behandlung des SS-Wachpersonals geprägt, ihre Lebensbedingungen durch Hunger, menschenunwürdige Unterkunft, unzureichende Bekleidung und schlechte medizinische Versorgung. Es gab mehrere Fluchten und vereitelte Fluchtversuche. Eine Häftlingserschießung ist bislang gesichert nachzuweisen. Es handelt sich um Jakob Dörr, der im November 1941 bei einem angeblichen „Fluchtversuch“ auf dem Schießstand von einem SS-Wachposten hinterrücks erschossen wurde.
Seit ihrer Fertigstellung im August 1942 bis Kriegsende 1945 wurde der Schießstand von der USR zur Ausbildung an Großkaliberwaffen genutzt. Die Französischen Streitkräfte, die im Mai 1945 in die ehemalige SS-Kaserne einzogen, übernahmen und unterhielten den Schießstand mit den Bahnen und sonstigen Gebäulichkeiten ohne substantielle Veränderungen bis zu ihrem Abzug 1977. Heute finden sich auf dem ursprünglich 83.926 m² großen Areal noch die in Ausmaß und Substanz erkennbaren und erhaltenen Überreste des ehemaligen SS-Schießstands Radolfzell.
Dank einer Initiative engagierter Radolfzeller Bürger konnte an dem von KZ-Häftlingen erbauten SS- Schießstand ein Ort des Erinnerns entstehen, vervollständigt durch die 2012 dort aufgestellte Erinnerungstafel. Neben der ehemaligen SS-Kaserne erscheint der SS-Schießstand in der Liste der Gedenkstätten Baden-Württemberg.